„Wie präsentiert man denn abwesend?“ amüsiert sich eine Freundin über mein Artikelvorhaben. „Muss man nicht immer präsent sein???“ Die Antwort liegt auf der Hand: Klar muss man immer präsent sein. Dabei geht es gar nicht um die physische Anwesenheit, sondern die mentale.

Fokus Vergangenheit

Präsenz liegt zeitlich zwischen gestern und morgen. So lapidar der Satz auch klingt, er klärt über die zeitliche Bedeutung von Präsenz auf. Denn bevor ich jetzt voll und ganz präsent sein kann, brauche ich („gestern“) eine ordentliche Vorbereitung: Bin ich thematisch versiert? Ist meine Rede, Präsentation oder meine Vorstellung durchdacht? Bin ich mit den Räumlichkeiten, technischen Gegebenheiten, Abläufen und dem Publikum vertraut?

Die Aufmerksamkeit, die ich während des Auftrags brauche, um mich zu organisieren, geht immer zu Lasten meiner Zuhörer. Dazu gehören auch alle Gedanken, die man mit sich trägt. Diese kann ich bewusst vorher bei Seite legen.

Ein lebendiger Vortrag kann sehr gut auf auswendig gelernte und starre Formulierungen verzichten. Das innere Festklammern daran ist ein trügerischen Halt. Präsenz wirkt stärker und macht flexibel.

Fokus Zukunft

Es gibt Redner, die wollen ihre Präsentation einfach nur hinter sich haben. Hier wird die zeitlich zukünftige Ausrichtung deutlich. Leider ist das spürbar und wirkt wenig spielerisch. Oft sind das die gleichen Personen, die gerne schneller sprechen und keine Pausen machen.
Der Fokus Zukunft wird in einer Präsentation wichtig, wenn ich zum Ende gelange. Dann will ich meine Zuhörer zu einer Handlung bewegen. Ich kann auffordern über etwas nachzudenken, Wege aufzeigen sich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, oder Brücke zu meinem Produkt zu bauen.
 

Präsenz macht dialogfähig

Präsente Redner fordern ihre Zuhörer heraus genau so aufmerksam zu sein und sich innerlich oder durch Beiträge zu beteiligen. Dafür senden präsente Referenten Signale aus wie „ich nehme Dich wahr“ oder „ich bin an deiner Reaktion interessiert“. Kleine Seitengespräch nimmt ein aufmerksamer Referent wahr und ist in der Lage diese Reaktion in seinen Vortrag einzubeziehen. Wie spielerisch man mit Situationen umgehen kann, verdeutlicht der Fußballspieler Thomas Müller. Auf eine sehr abwegige Frage versucht er bei einer Pressekonferenz den Interviewer zu erkennen. Seine Reaktion: "Ich kann jetzt keinen sehen, aber ich denke die Frage kommt von RTL". Ins Schwarze getroffen. Gelächter im Raum. https://www.youtube.com/watch?v=tybmzDdZdFU

Präsenz macht schlagfertig

Offenheit und ein mindestens ein bißchen Gelassenheit sind die Grundlage für den Kontakt zum Publikum. Durch diese spielerische und professionelle Haltung kann ein Redner spontan Antworten auf provokante Fragen oder Zwischenrufe finden. Prädestiniert für seine lockere Schlagfertigkeit ist auch der Fußballtrainer Jürgen Klopp. Von seinen Pressekonferenzen gibt es sogar ein empfehlenswertes best-of-Video: https://www.youtube.com/watch?v=8LSW_4R3MfA

Ein präsenter Redner nimmt Blickkontakt zu seinen Zuhörern auf. Ein Profi lässt den Vortrag zum Zweiergespräch werden, indem er die Gruppe miteinbezieht. Das sind keine neuen Erkenntnisse. Was jedoch neu ist, ist der Fokus auf die Bedeutung von Präsenz. Sie ist kein Zustand, den man mit „malen nach Zahlen“ herstellen kann. Es ist vielmehr eine innere Souveränität, die durch Training und Auseinandersetzung beim präsentieren vor Gruppen abrufbar wird. Das fordert den Trainierenden heraus sich zu öffnen und zu lernen den Kontakt zum Publikum herzustellen sowie mit voller Aufmerksamkeit da zu sein.